Ausstellung
Mit dieser Ausstellung widmet sich das ZKM | Karlsruhe einer der wichtigsten internationalen künstlerischen Strömungen der 1960er Jahre, den Neuen Tendenzen, und ihrer Bedeutung für die Geschichte der computergestützten Künste. 1968 entschieden sich die Neuen Tendenzen, den Computer als Mittel künstlerischen Arbeitens in ihr Programm aufzunehmen, um so ihren Avantgarde-Anspruch zu behaupten und an der Definition einer Technologie mitzuwirken, von der man vermutete, sie würde die Zukunft der Zivilisation bestimmen.

Beginnend mit einer Ausstellung konkreter und konstruktiver Kunst, Nove tendencije, im Jahr 1961 in Zagreb, entwickelten sich die Neuen Tendenzen rasch zu einer dynamischen Bewegung, die sich der 'visuellen Forschung' verschrieb. Sie löste Mitte der 1960er Jahre einen internationalen Op-Art-Boom aus – verstärkt durch die Teilnahme an der Ausstellung The Responsive Eye im New Yorker MoMA im Jahr 1965. Der Erfolg brachte die Neuen Tendenzen ihren Zielen jedoch nicht näher: der Durchsetzung einer 'Kunst als Forschung' und der Etablierung neuer Distributionsformen jenseits des Kunstmarktes, die jedermann Zugang zu Kunst ermöglichen sollte. Die Organisatoren der Neuen Tendenzen entschieden sich, ihre Strategie zu aktualisieren und initiierten im Sommer 1968 im Rahmen der vierten Ausstellung, Tendencije 4, das Programm 'Computer und visuelle Forschung'. Bis 1973 widmete die Trägerinstitution der Neuen Tendenzen, die damalige Galerie für zeitgenössische Kunst Zagreb, heute das Museum für zeitgenössische Kunst, der künstlerischen Forschung mit dem Computer dann eine Reihe internationaler Ausstellungen und Symposien. In der Hoch-Zeit des Kalten Krieges präsentierten KünstlerInnen und WissenschafterInnen aus der ganzen Welt ihre Werke in Zagreb. Die Neuen Tendenzen etablierten damit eine einzigartige Plattform für den Austausch von Ideen und Kenntnissen aus den Bereichen Kunst, Natur- und Ingenieurwissenschaften. Mit der von der Galerie herausgegebenen mehrsprachigen Zeitschrift Bit international wurde Zagreb zu einem Initiationspunkt ästhetischer und medientheoretischer Reflexion.

Die Organisatoren der Zagreber Tendenzen versuchten, den historischen Übergang, in dem der Computer erstmals als Mittel künstlerischer Kreation wahrgenommen wurde, bewusst zu begleiten und zu formen. Sie setzten die computergenerierten Werke in Beziehung zu konstruktiver und kinetischer Kunst (1968/69) und zur Konzeptkunst (1973). Die Künste der elektronischen Medien wurden nicht als isoliertes Phänomen betrachtet, sondern einbezogen in die Geschichte und den Diskurs der bildenden und performativen Künste. Diesem Prinzip hat sich das ZKM mit der Ausstellungsreihe im Medienmuseum verpflichtet, die mit Die Algorithmische Revolution (2004) begann und nun mit Bit international fortgesetzt wird.

In Zusammenarbeit mit dem MSU | Museum für zeitgenössische Kunst Zagreb und einem internationalen Netzwerk aus Sammlern und privaten Archiven bietet die Ausstellung einen Überblick über die (Neuen) Tendenzen und ihr Programm 'Computer und visuelle Forschung': Grafiken, Gemälde, Filme, Skulpturen sowie computergenerierte Lyrik und Literatur werden nach 40 Jahren erstmals wieder einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Text: M. Rosen

Kuratoren: Darko Fritz, Margit Rosen, Peter Weibel
Projektleitung: Bernhard Serexhe

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Abbildungen (von oben nach unten)

Hiroshi Kawano:
Work Nr. 1, 1965
Computergestützte Gestaltung, Farbe / Papier, 19,5 x 20 cm
MSU | Museum für zeitgenössische Kunst Zagreb
Foto: Boris Cvjetanović

Manfred R. Schroeder:
Eye, 1968
Computergrafik, Fotografie, 61 x 51,5 cm
MSU | Museum für zeitgenössische Kunst Zagreb
Foto: Boris Cvjetanović

Stan VanDerBeek, Kenneth C. Knowlton:
Man and His World, 1968
Computergenerierter Film, 60 Sekunden
Privatbesitz
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